Auch das grösste Problem dieser Welt hätte gelöst werden können, solange es noch klein war. (Laotse)

 

Es gibt in unserer Menschengesellschaft noch ein gesundes Bewusstsein für das Vermeiden und Entstehen von angeborenen Erkrankungen. Die Rassehundezuchtwelt hat das womöglich - bei allem "Rassedenken" - inzwischen vergessen!
Wer also schadet dem Ruf des Rassehundes?

Es hat bereits in der Vergangenheit aus der Rassehundezucht selbst nicht an öffentlichen Mahnungen - um absehbaren Schaden vom Rassehund abzuwenden - gemangelt. Um so mehr erstaunt es, dass nun derzeit mit Erhebungen "begonnen" wird, welche so "schleppend und lückenhaft" laufen...

Bereits im Jahr 1978 nach einer Serie in der Zeitschrift Stern ist im Stern Verlag das Buch des Autoren Heiko Gebhardt "Du armer Hund" erschienen. Eine Neuauflage desselben wäre auch heute noch - auch im Hinblick auf die Schönheits - CACIB - Ausstellungen - aber nicht nur, erschreckend aktuell!

Der erste deutliche Hinweis und Aufklärung auf den grossen Irrtum in der Rassezucht, durch das Festlegen auf Inzucht und Championatszucht wurde bereits im Jahr 1986 öffentlich für Jedermann durch die Autoren Walter Schleger und Irene Stur in deren Buch "Hundezucht in Theorie und Praxis" gegeben.

 


Leider haben wir gerade in dieser Zeit mit Dr. Hans Räber einen der letzten Kynologen verloren. Dieser hat im Jahr 1999 (Ersterscheinung), womöglich ernüchtert das Buch "Vom Wolf zum Rassehund" geschrieben. Er war immer ein Befürworter und Mentor der Rassehundezucht. Dieses, sein letztes Werk war für die Rassehundezucht eine deutliche Mahnung, welche an Aktualität bis heute die Versäumnisse, nicht nur der vergangenen 12 Jahre widerspiegelt!

..." Die Folge dieser falsch gesetzten Zuchtziele sind Formen, die dem Hund ein artgerechtes Leben weitgehend unmöglich machen und dazu führen, dass in den Medien von "Qualzuchten" die Rede ist, so dass der Rassehund pauschal in Misskredit gebracht wird. Aufzuzeigen, wo diese Grenzen gesetzt werden müssen, wenn der Rassehund noch eine Zukunft haben soll, ist ein wichtiges Anliegen dieses Buches..."

..."Dringend notwendig ist die Säuberung der Standards von sinnlosen und unbiologischen Forderungen, die im Extremfall zu schwerwiegenden Defekten führen müssen..."
Zitat: Dr. h. c. Hans Räber

Als Mitglied der FCI Kommission hat er sich leider nicht mehr deutlich genug gegen den Einsatz der Inzucht in der Rassehundezucht abschliessend ausgesprochen. In seinem, in der ersten Auflage 1969 geschriebenes Buch "Brevier neuzeitlicher Hundezucht" befürwortet er Verwandtschaftszucht und Engzuchtmethoden. Bis heute ist diese Darstellung, ohne "Neuauflage" heutigen Wissens in den Köpfen und Meinungen von Rassezüchtern zu finden! Sein Appell an die Zucht: Deutlich erkenntliche Qualzucht - Übertreibungen bei Rassehunden aus der Zucht heraus dringend abzustellen, um zu vermeiden, "dass der Rassehund in der Öffentlichkeit in Misskredit gebracht wird" und Medien, sowie Gesetzgeber die Zukunft des Rassehundes bestimmen!



In der Erstauflage im Jahr 2000, erschien das Buch "Quo Vadis Canis" von Dr. Dieter Fleig, welches sich unter anderem speziell diesem Thema der "Qualzucht" und den Fehlentwicklungen der Hundezucht widmet. Ja es versucht sogar dem Rassehund und Hund in der Gesellschaft eine Neudefinierung des Daseinszweckes und die Notwendigkeit der Hundehaltung für unsere Gesellschaft zu beschreiben!
Es war schon vor 30 Jahren schwierig offiziell Änderungen, Besinnung anzumahnen. An solchen Nebenschauplätzen für die Hundezüchterwelt, dem Schaffen eines Bildes, hat sich bis heute nichts geändert!

Vor dem Hintergrund dieses Wissens und solcher öffentlichen Ermahnungen seit über 30 Jahren an die Verantwortlichen - dringend eine Erneuerung aus der Rassehundezucht heraus vorzunehmen, anzudenken und umzusetzen, ist bisher "nur" der Beginn von Erhebungen bei Tierärzten und Rassezuchtvereinen als Massnahme genannt geworden, welche zudem nur "schleppend und lückenhaft" laufen.
Labradoodle
In der Zwischenzeit diskutieren Hundeliebhaber den Rassehund eher als ein Risiko in der Anschaffung und die "Hundezüchterwelt" widmet sich auffallend der Produktion von "Mischlingshund - Neukreationen" (Labradoodle etc.).
Nur: Gesünder sind solche nicht unbedingt, sei einmal von exzessiven Qualzuchtmerkmalen abgesehen. Die "Zuchtmethoden" welche zum Niedergang der Rassehunde führen sind bei "züchterischen Neukreationen" wohl eher dieselben und zudem - ohne jede Kontrolle!

 

Als ein letzter Kynologe und Mahner der nicht müde wird "für den Erhalt des Hundes" zu plädieren - für ein Umdenken in der Rassehundezucht - ist derzeit Dr. Hellmuth Wachtel eindringlich aktiv.
Sein erstes Buch, das erste Buch zur Populationsgenetik "Hundezucht 2000" welches deutlich und eindringlich, allgemeinverständlich die Irrtümer in der Rassehundezucht aufzeigt, welche zum Niedergang nicht nur der Rassehunde, sondern des Hundes in Gesundheit und Wesenseigenschaften führen können, ist seit dem Jahr 1997 öffentlich jedermann nicht nur in der Hundezüchterwelt zugänglich!
In seinem Buch "Das Buch vom Hund" aus dem Jahr 2002 hat er diese Mahnungen unter anderem nochmals nachgewiesen und erneuert. Dieses Buch betont mit einem Ausflug in die Kynologie die Symbiose zwischen Mensch und Hund - Weshalb es eine Notwendigkeit ist den Hund in unserer Gesellschaft zu erhalten! Der Autor wird bis heute nicht müde, auch bei Rassezuchtvereinen und in Fachzeitschriften in Vorträgen und Schulungen, die Problematik welche in den Köpfen der züchtenden Menschen verankert scheint, zu erklären und nachzuweisen! Unter dem Menupunkt "Hundeausstellungen" ist ein Bericht von Dr. Wachtel veröffentlicht.

Ein Umdenken, eine Erneuerung aus der Rassehundezuchtwelt heraus - erscheint für den Betrachter nicht mehr möglich zu sein. Es scheint nichts "angekommen" zu sein.
Zu lange schon wartet man auf eine grundlegende Neudefinition des Rassehundes welcher sich nicht einzig und allein aus Schönheits - Championaten und Standardzielen definiert und definieren kann!

Statt dessen wurden, im Jahr 2010 in der Sendung "Stern TV" Bilder von Shar Pei (dem chinesischen Faltenhund) gezeigt, welche diejenigen in den Büchern von Dr. Hans Räber und Dr. Dieter Fleig - in der Exzessivität der Faltenbildung und in der Nutzung eines Farbverdünnungsfaktors (Dilution), welcher zusätzliche Hauterkrankungen mit sich bringen kann - noch zu übertreffen scheinen!
Hat die Rassehundezucht in Händen der verantwortlichen Hundezüchter bis heute nichts dazu gelernt?
Es muss uns dann nicht mehr wundern wenn ein hochrangiges Mitglied der FCI - Kommision aus dem deutschen Verband in einer Stellungnahme kürzlich, ..." Die Zukunft des Rassehundes dann eher in Asien, denn in Europa oder Amerika sieht..." Geht es in der Rassehundezucht einzig um Marktinteressen ohne definierten Tierschutzgedanken und Tierschutzgesetze?

Es wird für den Rassehund dringend - die Daseinsberechtigung, den Sinn des Rassehundes - welchen es tatsächlich gibt, endlich neu zu definieren. Das kann mit Schönheits - Championaten, nach welchen der Mensch - völlig menschlich im "Erfolgsstreben" immer züchten wird - nicht gelingen. Es ist überfällig die "Standardisierungen" von Rassehunden welche nur durch Engzuchtpraktiken erreicht werden können - die inzwischen als "Qualzucht" für jeden Rassehund definiert werden - mittels einem "Standard" abzuschaffen und den Sinn des Rassehundes neu - nein erneut zu definieren!

Es gibt andere Methoden - seit Menschengedenken wohl bekannte - Hunderassen gesund zu erhalten, zu züchten und als "Rassetyp" zu erhalten!
Rassehunde, Rassehundtypen, ja sogar deren Körperbau und Aussehen sind einzig durch Verhaltensanforderungen, Verhaltens- und Einsatzmerkmale bei uns Menschen entstanden. Es sieht tatsächlich so aus, als hätte der Mensch die Fähigkeit Haustiere nach seinen Bedürfnissen zu züchten verloren!
 

"Dortmunder Appell"

In Zusammenarbeit mit Petwatch ist der sogenannte "Dortmunder Appell" entstanden. Darin sind die wichtigsten Eckpunkte erarbeitet, um eine sensiblere Sichtweise im Bezug auf das Mitgeschöpft -Hund- zu erreichen.
 
Hier als PDF zum download und nachfolgend als Text im Wortlaut:
 

"Dortmunder Appell" für eine Wende in der Zucht zum Wohle der Hunde

Im Mutterland der Rassehundezucht Grossbritannien hat das Jahr 2008 eine grundlegende Wende eingeleitet. Deren einziges Ziel ist, das Wohl und die Gesundheit der Hunde nunmehr konsequent und ohne Einschränkungen in den Mittelpunkt der Zucht zu stellen. Auch Österreich hat bereits Massnahmen in diese Richtung ergriffen. Wir sehen auch für Deutschland die Notwendigkeit einer solchen Wende im Zuchtwesen.

Die Unterzeichner sehen es als vorrangiges Ziel jedes Hundefreundes, sich für die Gesundheit und das Wohl unserer Hunde einzusetzen. Bisher wird in der Zucht aber viel zu wenig auf die Gesundheit der Hunde geachtet. Inzucht, Übertypisierungen, Erbkrankheiten bis hin zu Qualzuchtmerkmalen sind leider keine Seltenheit. Ganze Rassen können sich ohne aktive Hilfe des Menschen nicht mehr vermehren.

Wir appellieren an die Verantwortlichen in den Zuchtvereinen und -verbänden, an die Züchter wie auch an die Hundehalter und Behörden, sich für eine nachhaltige Wende in der Zucht zugunsten des Wohles und der Gesundheit unserer Hunde einzusetzen!

  • Laufen, Atmen, Sehen
    Mit diesen 3 Verben formuliert der grösste Hundeverband der Welt, der britische "The Kennel Club", seine Wende hin zu einer auf die Gesundheit der Hunde bedachten Zucht. Eigentlich sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass elementare Funktionen des Lebens respektiert und gehütet werden. Gerade von den Züchtern unserer Hunde sollte erwartet werden, dass ohne Kompromiss die Gesundheit der Hunde respektiert und an die erste Stelle züchterischer Bemühungen gesetzt wird.
  • Keine Zucht nach Moden
    Mit der Rassehundezucht haben sich bereits Standards etabliert, die als Grundlage anzusehen sind. Dennoch ist eine nicht vertretbare Entwicklung vorangeschritten, die durch hier angeführte Massnahmen zu gesunden Hunden geführt werden soll. Das Exterieur der Hunde darf in keiner Weise das Atmen, Sehen, Laufen oder irgendein anderes natürliches Bedürfnis der Hunde beeinträchtigen. Es dürfen keine Beeinträchtigungen oder besondere Risiken hinsichtlich Gesundheit, insbesondere auch nicht Erbkrankheiten, oder hinsichtlich des Wohles der Hunde durch die besondere Betonung bestimmter Merkmale begünstigt werden. In diesem Sinne sind sämtliche Rassestandards zu überprüfen. Das Wohl und die Gesundheit der Hunde muss uneingeschränkt an erster Stelle stehen.
  • Nein zu Inzucht
    Das Problem der Inzucht, Engzucht oder Linienzucht wird sehenden Auges in weiten Teilen der Rassehundezucht ignoriert oder verniedlicht. Dabei ist die Gefährlichkeit von Inzucht für das Risiko von Erbkrankheiten, für die Widerstandskraft, Vitalität und Lebenserwartung aller Säugetiere wissenschaftlich eindeutig geklärt. Inzucht ist als Tierquälerei anzusehen, die auf Dauer ganze Populationen erfasst. Für alle Rassen müssen Regeln aufgestellt werden, die in Zukunft genetische Vielfalt fördern und sichern. Hierzu ist eine Gendatenbank einzurichten. Deckrüden muss eine Beschränkung auferlegt werden. Künstliche genetische Schranken etwa wegen der Vereinszugehörigkeit oder Fellfarben sind abzubauen.
  • Für eine Neuausrichtung des Ausstellungswesens
    Prämierungen dürfen nicht mehr nur oder vorrangig nach dem äusseren Erscheinungsbild vorgenommen werden. Kosmetische Manipulationen an den Hunden sind abzulehnen. Im Mittelpunkt der Prämierungen müssen das Wesen, die Gesundheit und die genetischen Vorzüge für die Population stehen, die es nachzuweisen gilt. Entsprechend sind Charakter und Ablauf von Ausstellungen zu ändern, sind die Richter auszubilden, anzuweisen und auszuwählen.
  • Der Tierschutz als aktives Recht auch in der Zucht
    Das deutsche Tierschutzgesetz besagt zwar, dass keinem Tier Schmerz oder Leid zugefügt werden darf, aber die Realität der Hundezucht scheint dieses Gesetz zuweilen ausser Kraft zu setzen. Es gibt Rassen, die sich fast nur noch per Kaiserschnitt oder andere Hilfen des Menschen reproduzieren können. Die gezielte Zucht mit Erbkrankheiten, Übertreibungen einzelner Merkmale wie Fell, Farben, Falten, Ohren, abfallende Rücken, Winkelungen der Hinterhand, extremer Zwergen- wie Riesenwuchs etc. führen zu enormem Leid bei den Hunden, ohne dass das Tierschutzrecht praktisch greift. Auch massive Schädigungen in der Sozialisation der Welpen etwa durch Hundehandel werden vom heutigen Recht nicht erfasst. Wir brauchen ein Tierschutzrecht, dass auch in der Praxis wirkt.
  • Hunde befähigen, ihre Aufgaben zu meistern
    Die Ansprüche des Menschen an unsere Hunde sind in der heutigen Zeit sehr hoch gesteckt. Es bedarf eines neutralen Wesens des Hundes. Der Hund darf keine Eigeninitiative in Richtung Aggressionen gegen Menschen und/oder Artgenossen zeigen. Der Welpe soll bereits beim Züchter mit möglichst vielen Umweltreizen konfrontiert werden, um einen neutralen und wesensfesten Hund zu erhalten. Übermässige Unsicherheit/Ängstlichkeit, vor allem auch bei Hündinnen durch Prägung auf die Welpen soll nicht toleriert werden. Der Mensch muss umfassend dafür Sorge tragen, dass die Welpen eine möglichst gute Sozialisation zur Befähigung ihrer anspruchsvollen Aufgaben erhalten.
  • Für eine neue Ethik der Zucht
    Wir brauchen eine neue Ethik der Zucht, die konsequent an dem Wohl und der Gesundheit der Hunde orientiert ist und sie für ihr Leben in unserer Gesellschaft rüstet. Für die Zucht von Rassehunden bedarf es des Nachweises der Fachkunde, der Einhaltung verbindlicher und transparenter Regeln sowie der Zulassung unabhängiger Kontrollen hierüber. Auf dieser Basis bedarf es einer staatlichen Zulassung zur Zucht und Veräusserung von Hunden. Züchterische Massnahmen zulasten der Gesundheit der Hunde sind zu sanktionieren. Wir brauchen ein unabhängiges Qualitätsmanagement der Zucht. Die Zucht unseres "besten Freundes" sollte uns mehr Fürsorge wert sein.


Dortmund im Juni 2009